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Urteil Obergericht (LU)

Zusammenfassung des Urteils 21 98 188 : Obergericht

Es wird diskutiert, wer für die Entscheidung über die unentgeltliche Rechtspflege für den Privatkläger im Strafverfahren zuständig ist. Im Gegensatz zur Zivilprozessordnung regelt die Luzerner Strafprozessordnung diese Frage nicht. Gemäss der Praxis des Bundesgerichts und der Kantone hat eine bedürftige Partei im Privatstrafklageverfahren grundsätzlich Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Es gibt keine klare Bestimmung in der Luzerner Strafprozessordnung, wer für die Entscheidung über die unentgeltliche Rechtspflege zuständig ist. Der Amtsgerichtspräsident ist nicht befugt, über die Gewährung oder Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege zu entscheiden. Somit ist der angefochtene Entscheid des Amtsgerichtspräsidenten nichtig.

Urteilsdetails des Kantongerichts 21 98 188

Kanton:LU
Fallnummer:21 98 188
Instanz:Obergericht
Abteilung:II. Kammer
Obergericht Entscheid 21 98 188  vom 22.12.1998 (LU)
Datum:22.12.1998
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:§ 272 StPO. Sachliche Zuständigkeit für die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege an den Privatkläger im Strafverfahren. Zuständig für die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege ist im Gerichtsverfahren das mit der Strafsache befasste Gericht als Kollegialbehörde.

Schlagwörter : Rechtspflege; Entscheid; Verfahren; Prozessordnung; Gesuch; Hauptsache; Gericht; Privatkläger; Zuständigkeit; Obergericht; Verweigerung; Luzerner; Hauser/Schweri; Richter; Gerichtspräsident; Rekurs; Amtsstatthalter; Erteilung; Behörde; Amtsgerichtspräsident; Zivilprozessordnung; Praxis; Bundesgerichts; Kantone; Privatstrafklageverfahren; ätzlich
Rechtsnorm:Art. 4 BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts 21 98 188

Zu prüfen ist zunächst, wer für den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege für den Privatkläger im Strafverfahren sachlich zuständig ist. Im Gegensatz zur Zivilprozessordnung (SRL Nr. 260a) regelt die Luzerner Strafprozessordnung (SRL Nr. 305) die unentgeltliche Rechtspflege nicht. Der unbemittelten Partei steht nach der Praxis des Bundesgerichts und der Kantone hingegen auch im Privatstrafklageverfahren aufgrund Art. 4 BV grundsätzlich ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bzw. auf Befreiung von Kostenvorschüssen Kautionen zu (vgl. Hauser/Schweri, Schweiz. Strafprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1997, § 88 RZ 20).

In der Luzerner Strafprozessordnung findet sich somit auch keine Bestimmung, welche die Zuständigkeit für den Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege für den Privatkläger festlegt. In Zivilverfahren ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege bei dem in der Hauptsache zuständigen Richter einzureichen. Der Gerichtspräsident der Instruktionsrichter entscheidet über das Gesuch (§ 132 Abs. 1 ZPO). Er entscheidet über den Beginn und den Umfang der unentgeltlichen Rechtspflege. Bewilligt er die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise, so hat er die Akten dem Obergericht zu überweisen, das den Entscheid bestätigt ändert. Gegen die teilweise gänzliche Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege kann der Betroffene Rekurs an das Obergericht erheben (§§ 134 und 258 ff. ZPO). Im Strafverfahren bestimmt § 34 Abs. 1 StPO für die amtliche Verteidigung des Angeklagten, dass der Amtsstatthalter der Gerichtspräsident für die Beigabe eines amtlichen Verteidigers zuständig ist (§ 34 Abs. 1 StPO). Auch wenn im Interesse einer einheitlichen Regelung der sachlichen Zuständigkeit für die Entscheidung über die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege eine analoge Anwendung von § 132 Abs. 1 ZPO und § 34 Abs. 1 StPO wünschbar wäre, lässt die fehlende Gesetzesbestimmung eine solche Auslegung und Lückenfüllung durch den Richter nicht zu. Es gibt keine analog hergeleiteten Zuständigkeiten (LGVE 1997 I Nr. 34). Auch eine Überprüfung der unentgeltlichen Rechtspflege durch die Justizkommission des Obergerichts ein Rekurs gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege ist in der geltenden Strafprozessordnung nicht vorgesehen (LGVE 1997 I Nr. 34). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist vom Privatkläger bei der in der Hauptsache zuständigen Behörde (Amtsstatthalter, Gericht) einzureichen. Mangels Vorliegen einer Delegationsbestimmung an den Präsidenten des in der Hauptsache zuständigen Gerichtes ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege somit von derjenigen (Gesamt-)Behörde, die in der Hauptsache zuständig ist, zu entscheiden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Amtsgerichtspräsident für den Entscheid über die Erteilung Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht zuständig war. Der angefochtene Entscheid des Amtsgerichtspräsidenten ist somit nichtig (vgl. Hauser/Schweri, a.a.O., § 101 RZ 23).







Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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